Home / Hochschule / Verkaufte Abschlüsse

Verkaufte Abschlüsse


Verkaufte Zugangsberechtigung für den höheren Dienst? 

Bologna bringt Problem nicht nur für das Verwaltungsstudium - und ist eine Einladung, Studienabschlüsse zu verkaufen

Das angelsächsische Hochschulsystem, in das deutsche System von Berechtigungen übertragen, führt zur Fehlsteuerung: welche von Studiengebühren lebende Hochschule hat ein Interesse, ihre "Kunden" zu verlieren, in dem sie ihnen den Misserfolg bescheinigt? Kontrollen zur Verhinderung von Missbrauch fehlen, die Akkreditierung ist dazu untauglich. So kann sogar der Zugang zum höheren Verwaltungsdienst über "gekaufte" Masterabschlüsse erlangt werden.

Was der Markt leisten müsste

Bei der Diskussion über die Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung fehlt eine Analyse der Marktprozesse:

  • Welche Anreize schafft der Arbeitsmarkt auf der Angebots- und Nachfrageseite?
  • Gibt es ein - zumindest partielles - "Marktversagen" - oder da, wo der Staat steuernd eingreift oder sogar selbst ausbildet, ein Staatsversagen?

  • Ist es zulässig zu vermuten, dass der Arbeitsmarkt bisher gut funktioniert, also die Wohlfahrtwirkungen erzielt, die vom Arbeitsmarkt erwarten werden (Anreiz-, Allokations-, Verteilungswirkung)?

Bedeutung in den angelsächsischen Ländern

Ein Hochschulabschluss wird in Deutschland als amtlicher Nachweis einer bestimmten Qualifikation bewertet, anders als in den angelsächsischen Ländern, in denen die höchst unterschiedliche Qualifikation durch einen Abschluss einer Hochschule bekannt und bei der Personalgewinnung berücksichtigt wird. Ein Abschluss von Harvard (USA) oder "Oxbridge" (UK) ist halt nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss einer Provinzhochschule.

Die Bedeutung eines Abschlusses an einer dieser renommierten Hochschule beruht auch darauf, dass der Zugang durch Aufnahmeprüfungen gesteuert wird. Selbst wenn das Studium nichts taugen sollte: durch das Auswahlverfahren bekommt man auf jeden Fall fähige Absolventen: sie wurden durch das Studium ja nicht schlechter. Je schärfer die Auswahlkriterien, desto weniger kommt es auf die Qualität des Studiums an, vor allem wenn die generellen Fähigkeiten des Bewerbers/der Bewerberin wichtig sind und weniger konkrete im Studium erworbene Qualifikationen.

Zusätzlich gibt es in den angelsächsischen Ländern für wichtige Abschlüsse ein Ranking der Hochschulen, das auf der Befragung der Personalverantwortlichen beruht: von welcher Hochschule rekrutieren sie vorzugsweise ihren Nachwuchs für Personalmanagement? Mit diesem Ranking findet eine Rückmeldung aus dem Markt statt, es entsteht ein Anreiz für Hochschulen so auszubilden, dass die Absolventinnen und Absolventen von den Abnehmern nachgefragt werden. Und umgekehrt entscheiden die Studierenden aufgrund dieser Bewertungen, an welcher Hochschule sie ihr Studium aufnehmen, um gute Berufschancen zu haben: es entsteht eine höchst wirksame Anreizwirkung für die Hochschulen, sich um die Qualität der Ausbildung zu bemühen.

Zusätzlich ist der Einfluss der Alumni, der früheren Absolventinnen und Absolventen, von großer Bedeutung, weil die renommierten Hochschulen einen erheblichen Teil ihres Budgets durch Beiträge der Alumni bestreiten. Keine renommierte Hochschule kann es sich leisten, Absolventen erkennbar schlecht auszubilden oder die Abschlüsse zu verschenken, sie würden ihre Einnahmen aus Spenden und Stiftungen gefährden, zusätzlich zur Bestrafung durch den Arbeitsmarkt.

Der Arbeitsmarkt für den öffentlichen Dienst in Deutschland

Das ist der Unterschied für den speziellen Arbeitsmarkt im öffentlichen Dienst in Deutschland, da, wo der öffentliche Dienst seiner eigenen Ausbildungsinstitutionen betreibt. Alumni spielen keine Rolle, die Praxis akzeptiert die Abschlusszeugnisse als Qualifikationsnachweis und prüft allenfalls ergänzend entsprechend den Anforderungen der konkreten Stelle. Mit einem Abschlusszeugnis eines Verwaltungsstudiengangs hat man eine sichere Anwartschaft auf Beschäftigung im öffentlichen Dienst, eine Bedeutung, die ein Bachelor- oder Mastergrad in den angelsächsischen Ländern nicht hat.

Die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge

Wenn bei dieser Situation Bachelor- und Masterstudiengänge zugelassen und die Abschlüsse mit eben dieser, dem alten Verfahren entnommenen Bedeutung ausgestattet werden, ergeben sich Anreize für private, aber auch für öffentliche Hochschulen, die Intransparenz des Marktes auszunutzen. Entscheidend für die Hochschulen ist, genügend Studierende zu gewinnen, vor allem, die sie Gebühren zahlen, wie üblich bei Masterstudiengängen. Auch das deutsche Hochschulwesen spielt noch eine Rolle, bei dem die staatliche Finanzierung abhängig ist von der Zahl von Studierenden: ein weiterer Anreiz, möglichst viele Studierende anzulocken - und sie nicht durch hohe Anforderungen zu verprellen.

Das spielt in den Fällen keine Rolle, wo die Studierenden zugewiesen werden - bisherige Monopolausbildung an internen Verwaltungsfachhochschulen, aber auch hier gibt es problematische Auswirkungen, zumal wenn die Hochschullehrerbesoldung an die Bewertung durch die Studierenden anknüpft - in verschiedenen Hochschulen bereits gängige Praxis.

Akkreditierung ist keine Qualitätssicherung

Die Akkreditierung ist keine geeignete Qualitätssicherung. Sie überprüft bestimmte Struktur- und Ausstattungsbedingungen, ist sehr stark von den im Akkreditierungsverfahren eingesetzten Gutachtern abhängig, die in der Regel zu einem erheblichen Teil aus dem gleichen Hochschulbereich stammen, der die zu Akkreditierung Hochschule angehört, haben also vergleichbare Interessen beziehungsweise eine vergleichbare Sozialisation: Sie teilen die gleichen Werte und Maßstäbe, müssen unter Beweis stellen, dass sie geprüft haben, sollten sich aber möglichst auch nicht grundsätzlich unbeliebt machen durch zu strenge Maßstäbe. Vor allem: das Akkreditierungsverfahren verändert die Anreizstrukturen nicht: eine Hochschule ist erfolgreich durch die Zahl der Studierenden, nicht die Qualität der Ausbildung, denn niemand überprüft sie.

Konsequenzen: "verkaufte" Abschlüsse

Und so kann es dann kommen, dass in einem Fernstudiengang Leistungsnachweise durchweg bestanden werden, selbst die Note "ausreichend" nur als Ausnahme vergeben wird (in dem hier referierten Fall: zu 4 %), auch wenn alle Bedingungen dieses Studiums es für absolut unrealistisch erscheinen lassen, dass eine solche Erfolgsquote den Mindestbedingungen für eine Hochschulqualifikation entspricht. Üblich ist in Fernstudiengängen einer Erfolgsquote um die  20% - jedenfalls nicht nahe 100%. 

Und das ist nichts, was bei der Akkreditierung auffiele: es wird schlicht nicht geprüft. Und es nichts, was später auffällt: es gibt keine Rückmeldung aus dem "Markt" - und auch sonst keine Rückmeldung. Allerdings wissen die Personalisten wohl um die Probleme dieses Qualifikationsnachweisen, denn nur wenigen Absolventen, die doch offiziell die Qualifikation für den höheren Dienst erlangt haben, gelingt es, eine entsprechende Position zu erreichen. Nur: niemand beklagt sich offen darüber, dass dieser Nachweis offensichtlich nichts taugt, und macht es damit zum Thema. Und es gibt auch Behörden, in denen dieses Studium als Personalentwicklung gefördert und damit der Aufstieg in den höheren Dienst programmiert wird (z. B. bei der Bundesnetzagentur).

Es bleibt also bei der Einladung an die Hochschulen, Abschlüsse zu "verkaufen", auch die Fachhochschule des Bundes in Brühl macht mit: Hauptsache, es kommen die Studierenden, mit denen man Einnahmen erzielt - und einen europäisch ausgerichteten Studiengang auf Masterniveau anzubieten hilft dem Image. So sind die Gesetze, die menschlichen Handeln steuern, so reagiert der Markt.

Und es bleibt die Einladung an die Studierenden, denen in den Leistungsnachweisen ständig der Erfolg bescheinigt wird, selbst wenn ihre Arbeiten kaum das Niveau einer Facharbeit in der Oberstufe erreichen - diese Chance zu nutzen.

Mehr dazu: demnächst an dieser Stelle!

Burkhardt Krems, 2010-04-22/2011-05-21





 RSS of this page

Written by:   Version:   Edited By:   Modified