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Überlastung der Justiz


Überlastung der Justiz? Aber keine Dramatisierung mit falschen Zahlen! 

Leserbrief zum Beitrag im KStA vom 03.08.2017, S. 6: Richterbund klagt über Personalmangel

Die Justiz ist überlastet – vielleicht auch zum Teil schlecht organisiert, könnte also mehr schaffen bei gleicher Ausstattung? Diese Frage wird viel zu selten gestellt, die Justiz daraufhin selten überprüft. Die Konsequenzen der Überlastung für die Bürger werden zurecht beklagt, treffend auch die Aussage, Kriminalitätsopfer würden erneut zu Opfern durch staatliches Versagen.

Eine dramatische Zuspitzung sei durch eine "gigantische Pensionswelle" zu erwarten, heißt es weiter, denn 40 % aller Richter und Staatsanwälte gingen in den nächsten 15 Jahren in den Ruhestand.  Dramatik pur? Nur wenn man nicht rechnet. Denn Richter und Staatsanwälte scheiden mit Erreichen der Altersgrenze aus. Haben sie dann durchschnittlich 35 Dienstjahre absolviert, entsteht ganz normal ein Ersatzbedarf pro Jahr von 3%, für 15 Jahre 45% - ganz normal und seit Jahren vorhersehbar. Wo ist da die "gigantische Pensionierungswelle"?

Der Problematik der Überlastung der Justiz dient es nicht, sie mit falschen Zahlen zu dramatisieren. Eher sollte darauf hingewiesen werden, dass "Sparsamkeit" durch fehlende Stellen hier, wie auch in der Verwaltung, auf Dauer nichts spart, aber sehr viel an Ergebnissen kostet. Zu wenig Personal bereitzustellen reduziert die Arbeitsmenge nicht, sie wird nur zeitlich verschoben und belastet künftige Jahre - oder aber sie "entlastet" weil Bürger, aber auch Betriebe usw. auf die Durchsetzung ihrer Rechte und Klärung der Rechtsfragen verzichten. Welche Bedeutung eine funktionierende Rechtspflege für den wirtschaftlichen Wohlstand hat, kann man übrigens schon bei Max Weber (1922) nachlesen.

Es ist ein gängiges Missverständnis von Verwaltungsleitungen, Haushältern und der Politik, mit zu knapper Personaldecke etwas dauerhaft zu sparen, wenn sich die zu leistende Arbeit dadurch nicht verringert. Es ist schon ein Verstoß gegen die Regeln der Logik. Und gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Denn nicht nur bringt es auf Dauer keine Einsparungen, es belastet darüber hinaus Bürger, Wirtschaft, auch die Verwaltung selbst, und das Vertrauen in den Rechtsstaat, also den Nutzen, den zu erreichen Aufgabe von Justiz und öffentlicher Verwaltung ist (mehr zur Wirtschaftlichkeit im Onine-Verwaltungslexikon).

"Entlastung" muss auch nicht unbedingt durch mehr Stellen für Richter oder Staatsanwälte erfolgen, zumal wenn die besondere Belastung vorübergehend ist. Warum nicht Entlastung durch zeitlich befristete Vor- und Zuarbeit für die Richter und Staatsanwälte? Warum gibt es das nur bei den Bundesgerichten - und beim EuGH?

Dr. Burkhardt Krems, Köln, Rechtsanwalt


 



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